(Dubai, 25/06/2014) Nachdenkliches zur Sommersonnenwende
Niemand denkt über Wasser nach. Oder über Klopapier. Aber beides gehören zu den vielen, vielen Gütern, die zum Luxus werden, wenn ein Land erst mal in einer Krise ist.
Gestern hat die lokale Gasgesellschaft "Kyivenergo" in Kiew angekündigt, dass sie die Warmwasserversorgung fast der gesamten Stadt abschalten wird. Der offizielle Grund für die Warmwasserabschaltung ist, dass "Kyivenergo" (auch der Energieversorger der Stadt Kiew) der ukrainischen staatlichen Gasgesellschaft "Naftogaz" über 100 Millionen Dollar schuldet.
Ein leicht schrulliger Zufall, dass diese Schulden plötzlich - eine Woche, nachdem Russland die Erdgaslieferungen an die Ukraine eingestellt hat - anscheinend wesentlich wichtiger geworden sind.
Fatal daran ist, dass die ukrainischen Politiker ihren Bürgern jahrelang erzählt haben, sie müssten sich keine Sorgen machen. Die Ukraine hat eigene inländische Erdgasvorkommen. Und die Politiker sagten den Leuten, das inländische Gas sei ausschließlich für die Menschen und ihre Versorgung (zum Beispiel mit warmem Wasser). Nach offizieller Lesart werde russisches Gas nur für die Versorgung des Unternehmenssektors importiert. Das inländische Gas sei unantastbar - nur für die Bürger.
Natürlich stellt sich das jetzt als eine dicke, fette Lüge heraus.
Vergessen wir nicht, es ist gerade einmal ein paar Wochen her - da gaben die Versorgungsunternehmen bekannt, dass der Preis für kaltes Wasser von 3,18 Hryvnas pro Kubikmeter auf 6,22 erhöht werden würde - praktisch über Nacht ein Anstieg von 95%!
Es gibt jetzt also eine ganze Stadt in Europa, die nur noch kalt duscht . . . und für dieses "Privileg" nunmehr auch noch den doppelten Preis zahlt! Ich habe mehrere ukrainische Kollegen. Deren Familien leben immer noch in der Ukraine. Sie erzählen mir, wie ihre Lieben nun endlich beginnen, nach Möglichkeiten zu suchen, um aus diesem Schwindel zu entkommen. Es ist seltsam, wenn man mal darüber nachdenkt: Krieg, Revolution, Inflation, etc. – all das war okay. Kalt duschen!?! "Schatz, pack bitte die Taschen - es ist Zeit zu gehen."
Das ist natürlich nicht ernst gemeint. All dies ist angesammelter Schmerz, der schließlich im Erreichen eines persönlichen "Schlusspunktes" - oder des Tropfens, der das Fass zum Überlaufen bringt - mündet. Vor allem, wenn einem ein rationaler Blick in die Zukunft verdeutlicht, dass sich diese Situation nicht ändern wird. Sie wissen einfach, dass die Aussichten nicht sonderlich rosig sind, wenn der Vize-Premierminister der Ukraine ziemlich zeitgleich zum Abschalten der Warmwasserversorgung den Menschen sagt, dass sie den WINTER (noch Monate entfernt) ohne russische Gasimporte überleben können. Auch wenn es sicher ist, dass die wenigen mit Stirnrunzeln angesichts dieser Versprechung absolut Recht haben: Die meisten bevorzugen es einfach, halt so lange wie es nur geht ihre heiße Dusche zu nehmen und sich ansonsten über die Fähigkeit des Landes, diese Knappheit zu meistern, belügen zu lassen.
Einige wichtige Lektionen, die man hieraus ziehen kann:
- Politiker lügen immer. Sie werden Ihnen sagen, dass Ihr Land stärker ist, als es wirklich ist. Dass Ihr Land für alles, was kommen kann, vorbereitet ist. Dass Ihr Wohlstand niemals beschnitten wird, usw. Und selbst wenn sie in guter Absicht lügen: Sie geben Versprechungen, die sie in der Krise nicht halten können - speziell wenn das ganze Land in einer Krise steckt.
- Die Krise eines Landes wirkt sich auf so ziemlich alles aus. Es geht nicht nur um Zahlen und Daten - oder am anderen Ende um Molotow-Cocktails. Es geht um warmes Wasser und Klopapier. Es geht um Lebensmittel in Supermarktregalen. Es geht um das SYSTEM, das wir alle für selbstverständlich halten - das aber plötzlich nicht mehr funktioniert.
- Auch wenn ganz offensichtliche Anzeichen da sind: Die meisten Menschen warten mit der Prüfung ihrer Optionen, bis es zu spät ist (oder zumindest suboptimal).
Wenn Sie bis zum Eintritt einer ausgewachsenen Krise warten, muss man eilig kritische Entscheidungen treffen - statt diese in Ruhe und rational zu PLANEN. Rationale Menschen haben einen Plan B. Weil jeder von uns einen Punkt hat, wo das Fass überläuft.
Wissen Sie, was Sie tun werden, wenn Ihr Fass überläuft?
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